Product-as-a-service: Mit IoT zur proaktiven Dienstleistung

Product-as-a-service: Mit IoT zur proaktiven Dienstleistung

Auf dem Weg zur vielzitierten Industrie 4.0 spielt der stetig wachsende Trend zu „Product-as-a-Service“ – kurz PaaS – eine wichtige Rolle für die gesamte Fertigungsindustrie. Die Grundlage dieses global zu beobachtenden „Servitization“-Wandels bildet das Internet of Things, das den Schritt von reaktiv zu proaktiv für viele produzierende Unternehmen entscheidend vereinfacht. Noch vor einigen Jahren wurden defekte Teile nach dem sogenannten „Break-Fix-Modell“ reaktiv repariert, heute sehen sich die Hersteller in der Pflicht, ihren Kunden einen umfassenden, proaktiven Service anzubieten. 

Hintergrund dieser Entwicklung ist nicht zuletzt das veränderte Verbraucherverhalten: Der Kunde will heute häufig nicht mehr das Produkt selbst erwerben, sondern für ein gewünschtes Ergebnis, einen Service, bezahlen. Die zentralen Ergebnisse einer Studie des Münchner ifo Instituts im IHK-Auftrag unterstreichen diese These: Aufgrund des Trends zur Servitization des Welthandels sollte die Wirtschaft langfristig neue Wege gehen und statt klassischer Exportgüter zukünftig vermehrt Dienstleistungen sowie Kombinationen aus Gütern und Dienstleistungen anbieten. Dies verspreche ein deutlich größeres Wachstumspotenzial.

 

IoT-fähige Teile und Produkte: unverzichtbare Grundlage für Servitization

Das Internet of Things bildet die unverzichtbare Grundlage des „Servitization“-Wandels. Über den Einsatz kostengünstiger Sensoren, multifunktionaler Controller sowie draht- und grenzenloser Kommunikation lassen sich PaaS-Modelle schnell etablieren. IoT-Netzwerke können heute problemlos die Fernüberwachung von Ersatzteilen mit einer Datenanalyse kombinieren. Vorausgesetzt, alle Teile bzw. Produkte sind IoT-fähig und damit digital vernetzbar.

 

Predictive Maintenance – Echtzeitinformationen schaffen neue Serviceerlebnisse

Viele produzierende Betriebe beschäftigen sich vermehrt mit effektiven PaaS-Modellen auf IoT-Basis. Besonders die OEMs (Original Equipment Manufacturers) wollen mit Hilfe IoT-fähiger Produkte und Ersatzteile den kompletten Wartungsprozess vorausschauend planen können. Das dahinterstehende Ziel ist klar: Maschinenstillstände drastisch reduzieren – Produktivität und Servicequalität zugleich drastisch steigern.

Das Internet of Things ermöglicht es den Unternehmen, durch Echtzeitinformationen neue Serviceerlebnisse zu schaffen. Die Entwicklung vom traditionellen Break-Fix-Servicemodell hin zum Servitization/PaaS-Modell verläuft dabei in vier Stufen, die wir Ihnen hier anhand der Automobilbranche exemplarisch darstellen wollen:

 

1. Reaktiver Service

Der speziell im Automobilbereich noch häufig anzutreffende Status Quo: Kunden sind auf einen Pannendienst angewiesen, der auf den Ausfall ihres Fahrzeugs oder den Ausfall bestimmter Ersatzteile reagiert – ein rein reaktiver Service. Zwischen Herstellern und Produkten gibt es keine digitale Datenübertragung, daher lassen sich Reparaturen nur im Stillstand durchführen, als reine Instandhaltung. 

 

2. Präventiver Service

Die nächste Stufe: Die Hersteller sind noch nicht digital mit ihrem Produkt vernetzt, verfolgen aber bereits eine ausgereiftere Servicestrategie. Dazu gehören beispielsweise regelmäßige Wartungen, über die Ausfälle bzw. Maschinenstillstände präventiv vermieden werden sollen. In der Automobilbranche weisen Hersteller ihre Kunden zum Beispiel an, ihre Fahrzeuge in bestimmten Zeit- oder Entfernungsintervallen zur Wartung zu bringen. Kommt es dennoch zu einem Ausfall, stellt der Hersteller seinem Kunden während der Reparaturphase einen Mietwagen bereit. Auch bei dieser Form der präventiven Wartung gibt es also immer noch Ausfallzeiten. Das Ziel ist es jedoch, ungeplante Ausfallzeiten komplett zu vermeiden. Denn nur dadurch können langfristig Bestands- und Wartungskosten signifikant gesenkt werden. 

 

3. Prädiktiver Service

Ein prädiktiver Service erfordert zumindest teilweise eine digitale Vernetzung der Hersteller mit den Produkten – und zwar durch den vermehrten Einsatz IoT-fähiger Produkte und Teile. Mittels digitaler Datenübertragung können die Hersteller nun auf Informationen über Standort, Betriebsstunden und Nutzung des Fahrzeugs zurückgreifen. So erhalten sie Erkenntnisse darüber, wie Kunden die Produkte nutzen – Informationen, die sie ideal zu Vorhersagen über mögliche notwendige Wartungen nutzen können. Die Hersteller empfangen diese Informationen in regelmäßigen Abständen. Im Gegensatz zum vorher skizzierten präventiven Ansatz erstellen sie Serviceprognosen nicht mehr pauschal, sondern entwickeln diese individuell auf Grundlage der tatsächlichen Nutzungsdaten. Ein Informationsvorsprung, der es den Herstellern ermöglicht, eine personalisierte Wartungsstrategie zu entwickeln. 

Üblicherweise verkaufen Hersteller im Rahmen dieses prädiktiven Modells einen All-Inclusive-Vertrag, der eine Servicelevel- oder Betriebszeitgarantie beinhaltet. Statt einem klassischen Produktverkauf inklusive Kundendienst bieten sie nun den Zugang zu einem Produkt an, inklusive aller Teile und Dienstleistungen, die während der Vertragsdauer benötigt werden. Damit geht das Risiko eines Teileausfalls vom Kunden auf den Hersteller über. Das Risiko für die Hersteller liegt bei diesem Servicemodell also in der richtigen Prognose und Analyse der Kosten für den Verbrauch von Teilen und Dienstleistungen durch den Kunden.

 

4. Proaktiver Service

Bei diesem Modell sind die Hersteller endgültig vollständig digital mit den Produkten vernetzt. IoT-fähige Teile liefern ihnen Echtzeitinformationen, eingesetzte Sensoren liefern Werte über Standort und Produktnutzung sowie zu Temperatur, Vibrationen, Druck, Energieumsatz etc. Kombinieren Hersteller diese Sensorendaten sukzessive mit KI-Technologien, erhalten sie Informationen zu potenziellen Produkt- oder Teileausfällen: Beste Voraussetzungen, um als Serviceanbieter nun eine optimal abgestimmte Wartungsstrategie entwickeln und anbieten zu können!

Ein proaktiver Kundendienst kann Ausfälle nicht nur voraussagen, sondern seinen Service passgenau auf jeden Kunden und dessen individuelle Anforderungen abstimmen – je nach Bedarf auf ein hohes Serviceniveau mit dementsprechend vorbeugender Wartung oder auch auf ein niedrigeres Serviceniveau mit einer Kombination aus reaktiven Leistungen und einer teilweise vorbeugenden Wartung. Kunden zahlen beim proaktiven Servicemodell nicht mehr für ein Produkt, sondern für ein Ergebnis.

 

IoT – Schlüssel zu überzeugenden Service- und Dienstleistungsmodellen der Zukunft

Das Internet of Things hat definitiv das Potenzial, langjährig etablierte Kundenservice- und Wartungsprozessmodelle zu revolutionieren. Und das gilt nicht nur für Global Player, sondern auch für mittelständische Unternehmen. Über service-zentrierte Geschäftsmodelle bieten sich Unternehmen viele interessante Möglichkeiten, ihr Geschäft neu aufzustellen und enorme Wachstumschancen zu realisieren.

Dazu gehört beispielsweise die Einführung abonnementbasierter Angebotsmodelle für den jeweiligen Produktzugang inklusive Wartung. In den Bereichen Wartung, Reparatur und Instandsetzung (MRO = Maintenance, Repair and Operations) bieten sich über IoT-Anwendungen bereits heute Lösungsansätze, die weit über die reine Prozessoptimierung hinausgehen. So ermöglicht die Kombination von Sensortechnologie und digitaler Vernetzung deutlich höhere Reaktionsgeschwindigkeiten bei Engpässen oder Ausfällen, macht derartige Störungen vorhersehbarer und ermöglicht es, proaktiv darauf zu reagieren.

Für den in serviceorientierte Business-Modelle involvierten Maschinenpark bedeutet der vermehrte Einsatz von IoT-Komponenten vor allem verbesserte Chancen für die folgenden Bereiche:

 

  • Verbesserte Produktions- und Wartungsprozesse

  • Bedarfsermittlung

  • Prognosen

  • Situationsbewertung

  • Planung

  • Optimierung

  • Forschung / Entdeckung / Künstliche Intelligenz

 

Die Digitalisierung via IoT führt so zu steigenden analytischen Fähigkeiten, zur Implementierung immer neuer Maschinen und Komponenten und zu höherer Vernetzung. All diese Punkte sind unabdingbare Voraussetzungen für einen regelrechten Paradigmenwechsel: Weg von einer reinen Problemlösung zur Schaffung von entscheidenden Marktvorteilen durch eine kundenorientierte, effiziente Entwicklungs-, Produktions- und Wartungskette.


veröffentlicht am : 2021-02-09 08:00


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